Die Frage nach der „besten Vertriebskennzahl“ ist im Vertriebscontrolling ähnlich weit verbreitet wie die Frage nach dem besten Produkt, dem besten Vertriebsweg oder dem besten Kunden. Aber Sie ahnen schon: es kommt halt darauf an!
Kennzahlen und Berichte sollen wirtschaftlich sinnvolle Handlungen auslösen. Wenn sie das tun, sind sie „gut“. Was jeweils wirtschaftlich sinnvoll ist, ergibt sich aus der aktuellen Situation und der Zielsetzung Ihres Unternehmens.
Kennzahlen und Berichte, die nicht genutzt werden, um wirtschaftliche Fragestellungen zu beantworten und Verhalten zu ändern, sind bestenfalls wertlos. In jedem Fall sind sie aber eine Verschwendung von Ressourcen. Und zwar nicht nur beim Absender sondern auch beim Empfänger!
Kennzahlen um der Kennzahlen willen machen keinen Sinn. Controlling ist kein Selbstzweck!
Inhaltsübersicht:
7 sinnvolle Kennzahlen für das Vertriebscontrolling
Die Wahl der Kennzahlen hängt von Ihrem Unternehmen und Ihrem Geschäftsmodell ab. Bewährt haben sich die folgenden Größen:
- Schlagzahl
Anzahl der Kontakte mit Kunden und Interessenten, unterschieden nach Besuchen, Telefonaten, Mails etc. – „die Aktivität von heute ist der Erfolg von morgen“ - Anzahl der Kunden / Verkaufsabschlüsse
Wie ist das Verhältnis von Stamm- zu Neukunden, wer kauft nicht mehr? - Deckungsbeitrag je Produkt
Mit welchen Produkten verdienen wir Geld? Wo gibt es Potentiale? - Servicegrad
Wie hoch ist die Auslieferquote der Kundenaufträge? Welche Bestände werden benötigt? - Reklamationsquote
Indikator für künftige Kundenzufriedenheit, Reklamationen verursachen auch Prozesskosten
Analyse der Reklamations-/Retourengründe: Ware/Qualität, Termin, Kulanz etc. - Stornoquote
Gründe für Stornierungen vor der Lieferung sollten analysiert werden.
Intern: Buchhaltung, Vertrieb (Kollektionsbereinigung), Produktion (Mindestmengen)
Extern: Kundenstorno (Limit, über Termin etc.) - Individuelle Kennzahl
je nach aktueller Aufgabenstellung bzw. Engpass
z.B. Umsatzentwicklung in Russland, Neukundengewinnung, Anzahl Shop-Eröffnungen etc.
Empfehlungen*
Informationsbedürfnisse ändern sich mit der Zeit
Wann haben Sie zuletzt Ihr Berichtswesen auf den Prüfstand gestellt? Nutzen Sie alle enthaltenden Informationen oder erhalten Sie auch die berüchtigten „Zahlenfriedhöfe“? Welche Informationen fehlen in Ihrem Reporting?
Ein gutes Vertriebscontrolling beantwortet Fragen über
- die Kunden und Zielgruppen,
- die Lebenszyklen von Produkten,
- die Mitarbeiter / Agenturen sowie über
- die Prozesse im Vertrieb.
Haben Sie Ihr Reporting an die Marktveränderungen und das veränderte Verbraucherverhalten angepasst? Kennen Sie den Ergebnisbeitrag Ihres Webshops? Haben Sie die Kennzahlen ihres Einzelhandelsumsatzes auf die „Wholesale“-Betrachtung synchronisiert? Oder reporten Sie „Rohertrag“ und „erzielte Kalkulation“ in einem Atemzug?
Was ist eigentlich „Umsatz“?
Entscheidend für die Akzeptanz von Kennzahlen sind die klare Abgrenzung und eindeutige Definition des Rechenweges: welche Werte werden einbezogen, welche nicht? Was soll die Kennzahl aussagen? Sorgen Sie bei allen Beteiligten für einen einheitlichen Kenntnisstand!
Beispiel: wie viele unterschiedliche „Umsatz“-Zahlen gibt es in Ihrem Unternehmen? Reden Buchhaltung, Controlling und Vertrieb über die gleichen Werte?
- Umsatz als Großhändler oder mit Konsumenten?
- Umsatz mit oder ohne Mehrwertsteuer?
- Umsatz vor oder nach Retouren und Rabatten?
- Umsatz vor oder nach Abzug von Skonti oder Boni?
- Umsatz vor oder nach Forderungsverlusten?
- Umsatz mit Fremdwährungen: zu Tages‑, Termin- oder mit Durchschnittskursen bewertet?
Ähnliche Probleme ergeben sich auch bei anderen Kennzahlen: Wie sind bei Ihnen Deckungsbeitrag, Musterkosten, qm-Leistung, Logistikkosten etc. definiert?
Empfehlungen*
Welche Kategorien von Kennzahlen verwenden Sie?
Weiterhin wichtig und Schlüssel zum erfolgreichen Vertriebscontrolling ist der richtige Mix aus
- monetären und nichtmonetären Kennzahlen,
z.B. Umsatz, Deckungsbeitrag und Anzahl Neukunden, Kundenzufriedenheit - vergangenheitsbezogenen und zukunftsorientierten Kennzahlen,
Alle monetären Kennzahlen sind Ergebnisse vergangener Leistungen. Manche nichtmonetären Kennzahlen erlauben die Einschätzung der Zukunft: die Kundenzufriedenheit von heute ist der Deckungsbeitrag von morgen. - permanent und temporär ermittelten Kennzahlen
Die Informationen müssen auf die aktuelle Situation und jetzige Anforderungen abgestimmt sein: aktuell z.B. Auftragseingang und Auftragsbestand in Rubel oder Franken.
Werden die Zahlen des Vertriebscontrollings im richtigen Kontext dargestellt?
Sind die Kennzahlen für sich alleine aussagekräftig oder müssen im Zusammenhang betrachtet werden? Was sagt z.B. die absolute Höhe der Provisionen ohne den erzielten Umsatz?
Mögliche Betrachtungsweisen von Kennzahlen sind:
Kontext der Vertriebskennzahlen | |
Absolut und alleinstehend | z.B. Deckungsbeitrag in TEUR |
Verhältnisse | z.B. Deckungsbeitrag in % vom Umsatz |
Zeitreihen | z.B. Entwicklung Laufendes Jahr gegen Vorjahre |
Soll-Ist-Vergleiche (Abweichungsanalyse) | z.B. Umsatzabweichung nach Ländern |
Konkurrenzvergleich | Benchmarking mit verfügbaren Informationen |
Je nach gewünschter Aussage muss also die richtige Betrachtung gewählt werden.
Weitere Informationen zum Vertriebscontrolling
Wenn Sie sich intensiver mit dem Thema Vertriebscontrolling beschäftigen möchten, ist die Studie von PwC vielleicht hilfreich für Sie. Sie ist zwar für die Energiewirtschaft entstanden, aber viele Methoden und Tipps sind auch für andere Branchen anwendbar:
Der icv Controllerverein hat ebenfalls einige grundlegenden Informationen zum Vertriebscontrolling veröffentlicht:
Ebenfalls nützliche Links:
Vertriebscontrolling: Kennzahlensystem zur strategischen Steuerung des Außendienstes, ein Beitrag auf de.wikibooks.org
Vertriebscontroller.com: Die Seite des Interimmanagers Alexander Meneikis, die mich zu diesem Artikel inspiriert hat.
Studie: Kennzahlensysteme und KPIs im Mittelstand: sind die in den Unternehmen verwendeten Kennzahlenssysteme und KPIs überhaupt zur Steuerung des Unternehmens geeignet?