Die im schwarz-roten Koalitionsvertrag vorgesehene degressive Abschreibungsmöglichkeit für Ausrüstungsinvestitionen wird als sogenannter „Investitionsbooster“ angekündigt. Das klingt zunächst vielversprechend. Für Entscheidungsträger stellt sich nun die Frage, welche Auswirkungen diese steuerliche Änderung auf Investitionsentscheidungen haben könnte und wie sich das Modell in die klassischen Verfahren der Investitionsrechnung integrieren lässt. In unserem Beitrag zeigen wir, welchen Einfluss dieser künftige „Booster“ auf Ihre Investitionsentscheidung haben kann und ob sich das Warten darauf lohnt.

Ob neue IT-Ausstattung, automatisierte Lagertechnik oder digitale Filiallösungen: Investitionen sind der Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit (nicht nur) in der Modebranche. Kann die Wahl zwischen linearer und degressiver Abschreibung ein echter Booster für Investitionen sein?
In diesem Artikel betrachten wir zunächst die gängigen Methoden der Investitionsrechnung, bevor wir den speziellen Effekt der degressiven Abschreibung auf die Wirtschaftlichkeitsberechnung und Liquidität analysieren.
Inhaltsübersicht:
Klassische Verfahren der Investitionsrechnung
Bei Investitionsentscheidungen stehen Unternehmen verschiedene Methoden zur Verfügung, um die Vorteilhaftigkeit einer Anschaffung zu bewerten:
1. Statische Verfahren (Praktikerverfahren)
Kostenvergleichsrechnung:
Hierbei werden die durchschnittlichen Kosten pro Periode zwischen verschiedenen Investitionsalternativen verglichen. Besonders relevant für den Vergleich ähnlicher Produktionsanlagen oder Ausrüstungen in der Konfektion oder Textilverarbeitung.
Amortisationsrechnung:
Ermittelt den Zeitpunkt, zu dem die Anschaffungsauszahlung durch die Einzahlungsüberschüsse gedeckt ist. Angesichts schneller Modezyklen und technologischer Veränderungen ist eine kurze Amortisationszeit in der Bekleidungsbranche häufig entscheidend.
Rentabilitätsrechnung:
Setzt den erwarteten Gewinn ins Verhältnis zum eingesetzten Kapital. Eine zentrale Kennzahl für die Bekleidungsbranche, wo Margen oft knapp und Kapitaleffizienz entscheidend ist.
Gewinnvergleichsrechnung:
Neben den Kosten werden auch die erwarteten Erlöse in die Betrachtung einbezogen. Dies ist besonders wichtig, wenn Investitionen unterschiedliche Qualitäts- oder Produktivitätsniveaus ermöglichen.
2. Dynamische Verfahren (finanzmathematisch)
Die Dynamischen Verfahren der Investitionsrechnung berücksichtigen den Zeitpunkt der Ein- und Auszahlungen – und damit auch Zins- und Liquiditätseffekte – für die Entscheidungsfindung, ob eine Investition vorteilhaft ist.
Kapitalwertmethode:
Berücksichtigt den Zeitwert des Geldes durch Abzinsung aller zukünftigen Zahlungen auf den heutigen Zeitpunkt. Ein positiver Kapitalwert signalisiert eine lohnende Investition.
Interne-Zinsfuß-Methode:
Ermittelt den Zinssatz, bei dem der Kapitalwert einer Investition null wird. Übertrifft dieser die Kapitalkosten des Unternehmens, ist die Investition vorteilhaft.
Annuitätenmethode:
Wandelt den Kapitalwert in gleich große jährliche Zahlungen um, was den Vergleich von Investitionen mit unterschiedlichen Laufzeiten erleichtert – besonders wichtig bei der Bewertung verschiedener Maschinentypen mit unterschiedlichen Nutzungsdauern.
Die degressive Abschreibung und ihre Wirkung
Der geplante “Investitionsbooster” sieht eine degressive Abschreibung von 30% vor. Im Gegensatz zur linearen Abschreibung, bei der die Anschaffungskosten gleichmäßig über die Nutzungsdauer verteilt werden, ist die degressive Abschreibung durch anfänglich höhere Abschreibungsbeträge gekennzeichnet, die im Zeitverlauf abnehmen.
Berechnungsprinzip der degressiven Abschreibung
Bei einer degressiven Abschreibung wird jedes Jahr der jeweils aktuelle Restwert der Investition mit dem festgelegten Prozentsatz (hier 30%) abgeschrieben. Der Abschreibungsbetrag sinkt damit von Jahr zu Jahr, während bei der linearen Methode jährlich der gleiche Betrag abgeschrieben wird.
(Gegen Ende der Nutzungsdauer wird von der degressiven auf die lineare Abschreibung gewechselt, damit man den Restbuchwert von Null erreicht.)
Lineare vs. degressive Abschreibung – was steckt dahinter?
Auf die gesamte Nutzungsdauer der Investition bezogen, führen beide Verfahren zur gleichen Gesamtabschreibung und zur gleichen Steuerbelastung. Ein Rechenbeispiel finden Sie weiter unten im Text.
Effekt auf Investitionsentscheidungen
Der “Investitionsbooster” wirkt sich auf mehreren Ebenen aus:
- Steuerwirkung: Höhere Abschreibungen in den ersten Jahren führen zu niedrigeren zu versteuernden Gewinnen und damit zu Steuerersparnissen.
- Liquiditätseffekt: Die Steuerersparnis in den frühen Jahren verbessert die Liquidität und kann für weitere Investitionen genutzt werden.
- Risikominderung: Schnellere Kapitalrückflüsse reduzieren das Investitionsrisiko, insbesondere in Märkten mit hoher Volatilität wie der Modebranche.
- Kapitalwerterhöhung: Da frühe Zahlungsströme in der dynamischen Investitionsrechnung höher gewichtet werden, steigt tendenziell der Kapitalwert einer Investition.
Soweit die Theorie – aber welche Effekte sind in der Praxis zu erwarten:
Praxisbeispiel: Investition in die Geschäftsausstattung
Wie hoch sind diese Effekte tatsächlich? Betrachten wir dazu ein konkretes Beispiel: Ein Bekleidungshersteller erwägt die Modernisierung seines Shopsystems und möchte dafür 500.000 € investieren. Die „betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer“ beträgt 8 Jahre.
Szenario 1: Lineare Abschreibung
Bei linearer Abschreibung ergibt sich ein jährlicher Abschreibungsbetrag von 62.500 € (500.000 € ÷ 8 Jahre).
Szenario 2: Degressive Abschreibung (30%)
Bei der degressiven Abschreibung mit 30% ergeben sich folgende Abschreibungsbeträge:
Die um 87.500 höhere Abschreibung im ersten Jahr führt bei einem Steuersatz von 30 % zu einer um 26.250 € geringeren Steuerlast. Das sind 5,3% bezogen auf die Investitionssumme. Das wird als der „Booster“-Effekt bezeichnet!
Der Investitionsbooster ist abhängig von der Laufzeit („betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer“- ND), von der Höhe der getätigten Investition und dem anfallenden Steuersatz. Bei einer Steuerbelastung von 30 % ergeben sich folgende Werte:
Lesebeispiel: Bei einer Investition mit einer Nutzungsdauer von 8 Jahren, beträgt der „Boostereffekt“ im ersten Jahr 5,3 % bezogen auf die Investitionssumme. Bei 100.000 € Investitionssumme stehen also ca. 5.300 € als „Booster“ zur Verfügung.
Dieser Effekt macht sich jedoch nicht sofort, sondern erst mit der nächsten Steuererklärung bemerkbar. Bei einer Investition Anfang 2026 also frühestens Mitte 2027 – in der Praxis oft wohl eher später.
Sollte die degressive Abschreibung – wie in der Vergangenheit – auf z.B. das 2,5 des linearen Satzes gedeckelt wird, reduziert sich der „Boostereffekt“ entsprechend – besonders bei einer langen Nutzungsdauer.
Fazit: Die richtige Investitionsstrategie im Kontext des “Investitionsbooster”
Die geplante degressive Abschreibung von 30% kann einen Vorteil darstellen. Sie verbessert nicht nur die Kapitalwerte möglicher Investitionen, sondern schafft auch kurzfristige Liquiditätsvorteile. Dieser Vorteil in den ersten Jahren ist jedoch nur eine Steuerstundung, die sich in den Folgejahren nachteilig auswirkt. Ist der Investitionsbooster für Sie eine Chance, auf die sich zu warten lohnt? Oder ist der hier vorgestellte Effekt aus Ihrer Sicht zu gering und der “Investitionsbooster” eher eine Worthülse und Mogelpackung?
Ob dieser Effekt Ihre Investitionsentscheidung „boostert“, ist letztlich Ihre Entscheidung.
Auch sollten Sie beachten, dass der steuerliche Vorteil allein keine unrentable Investition rentabel macht. Die klassischen Methoden der Investitionsrechnung bleiben unverzichtbare Entscheidungsgrundlage – der “Investitionsbooster” verändert lediglich die Parameter dieser Berechnungen.
Einen nachhaltigen Effekt auf die Sinnhaftigkeit einer Investition könnte die Politik nur durch eine Senkung von Steuersätzen erreichen.
Quellen und weitere Informationen
· Investitionsrechnung für Praktiker:
Excel-basierte Darstellung der Verfahren und Berechnungen
Bernd Heesen – SpringerGabler – ISBN 978–3658330002
· Gabler Wirtschaftslexikon
Investitionsrechnung
- CYBER-sicher Notfallhilfe – 12. Juni 2025
- Steuerfreie Benefits für Mitarbeitende – 1. Juni 2025
- „Investitionsbooster“ – Chance oder Mogelpackung? – 17. Mai 2025