In der schnelllebigen Welt der Modebranche stehen sowohl Einzelhändler als auch Lieferanten immer mehr vor der Herausforderung, das richtige Sortiment zur richtigen Zeit am richtigen Ort bereitzustellen. Eine ineffiziente Nachschubplanung führt entweder zu hohen Lagerbeständen und Abschreibungen oder zu Fehlbeständen, die Umsatzverluste verursachen. Hier setzt “Smart Replenishment” an – eine KI-unterstützte, automatisierte Lösung zur bedarfsgerechten Nachversorgung von NOS‑, Depot- und zunehmend auch Modeartikeln.
Inhaltsübersicht:
Was ist Smart Replenishment?
Smart Replenishment – manchmal auch Smart Merchandise Management genannt – beschreibt eine datengetriebene, oft KI-gestützte Methode zur automatisierten Nachbestückung von Filialen oder Online-Shops mit den passenden Waren. Anbieter wie beispielsweise Fashion Cloud, Hachmeister (h+p) oder Chainbalance nutzen fortschrittliche KI-unterstützte Algorithmen, um Verkaufsdaten, Lagerbestände, Saisonalität oder sogar Wetterdaten in Echtzeit zu analysieren. Auf dieser Basis soll eine optimale Verteilung der Ware gewährleistet werden, um die Nachfrage bestmöglich zu decken.
Erklärtes Ziel: Mehr Umsatz mit weniger Ware – eine bessere LUG!

Einflussfaktoren auf den Zielbestand (Quelle: h+p)
Die Vorgehensweise von Smart Replenishment
- Datenanalyse: Verkaufs- und Bestandsdaten werden kontinuierlich gesammelt und analysiert.
- Bedarfsermittlung: Algorithmen prognostizieren den zukünftigen Bedarf anhand von Verkaufszahlen, Trends und externen Faktoren.
- Sollbestand: Ausgehend vom ermittelten zukünftigen Bedarf wird der Sollbestand für jedes Sortiment (EAN-basiert – also größengenau) ermittelt.
- Automatische Bestellung: Das System schlägt automatisch Bestellungen oder Umlagerungen zwischen Filialen vor. Diese müssen vom Händler jedoch noch bestätigt werden
- Optimierte Lieferkette: Die Lieferanten erhalten Echtzeit-Informationen und können ggf. effizienter produzieren und liefern.
Interessen von Einzelhändlern und Lieferanten
Einzelhändler: Effizienz und Verfügbarkeit
Einzelhändler profitieren von Smart Replenishment vor allem durch eine verbesserte Warenverfügbarkeit und reduzierte Lagerhaltungskosten. Da das System den Bestand automatisch optimiert, sind weniger manuelle Bestellungen erforderlich, was Zeit und Ressourcen spart. Gleichzeitig sinkt das Risiko von Überbeständen oder Fehllieferungen, was zu einer besseren Marge und höherer Kundenzufriedenheit führt. Idealerweise wird täglich nachbestellt.
Lieferanten: Optimierung der Logistik und Bestandssteuerung
Das Ziel für Lieferanten beim Einsatz von Smart Replenishment ist weniger „klein-klein“ bei der Logistik der Nachversorgung.
Die Endverbraucherumsätze der Partner – und damit der eigene Umsatz – sollen durch eine bessere und vorausschauende Warenverfügbarkeit gesteigert werden.
Da die Nachschubprozesse datenbasiert und bedarfsgerecht gesteuert werden, können Lieferanten ihre Lagerbestände und Produktionskapazitäten optimieren. Zudem ermöglicht der direkte Datenaustausch mit Einzelhändlern eine schnellere Reaktionsfähigkeit auf Marktveränderungen.
Optimale Bestellmenge
Die betriebswirtschaftliche Theorie zur „optimale Bestellmenge“ berücksichtigt neben den Lagerkosten auch die gegenläufigen Kosten der Bestellungen (z.B. Abwicklung, Logistikkosten, Fracht).

In den Algorithmen von Smart Replenishment werden Bestell- und Logistikkosten jedoch bislang nicht berücksichtigt.
Fazit
Smart Replenishment könnte zu einer Win-Win-Situation für alle Beteiligten in der Bekleidungsbranche führen. Unternehmen, die auf diese moderne Technologie setzen, sichern sich Wettbewerbsvorteile in einer Branche, die zunehmend auf Geschwindigkeit und Effizienz angewiesen ist. Einzelhändler profitieren von geringeren Kosten und optimaler Warenverfügbarkeit, während Lieferanten eine effizientere Produktions- und Lieferkette aufbauen können.
Allerdings liegt der Fokus des Handels aktuell auf der Lagerumschlaggeschwindigkeit und der Reduzierung der Bestände. Die wirtschaftlich optimale Bestellmenge wird nicht berechnet – stattdessen wird eine bestandsreduzierende Bestellstrategie verfolgt. Dadurch bleibt das Potenzial des KI-Einsatzes teilweise ungenutzt.
Ein weiteres Hemmnis ist die fehlende Bereitschaft des Handels, der Industrie die Hoheit über die Nachversorgung zu übertragen und die dafür notwendigen Daten bereitzustellen.
Nur durch eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Handel und Industrie können die beiderseitigen Vorteile von Smart Replenishment vollständig realisiert werden.
Quellen und weitere Informationen:
- Bestandsmanagement – ein angewandter Ansatz: Sammlung zu Theorie und Praxis – Josinaldo Dias – ISBN: 978–6203933055
- Wie weit ist die Branche bei Smart Replenishment? (TW vom 28.01.2025)
- Optimale Bestellmenge (studienretter.de)
- Effiziente Lagerbewirtschaftung: Kosten senken, Verfügbarkeit sichern – 19. März 2025
- Smart Replenishment – 5. März 2025
- Der AI Act der EU und KI über die Hintertür – 15. Januar 2025