Die Budgetsaison ist im vollen Gange und alle reden wieder über ihre KPIs, Kennzahlen und Dashboards. Aber Augen auf: ohne das Angebot von detaillierteren Informationen können Kennzahlen in die Irre führen und Fehlentscheidungen verursachen. An welche Kennzahlen „glauben“ Sie? Mit unserer Beispielbetrachtung bekommen Sie ein Gefühl, wo mögliche Fallen liegen können. Bei den Verantwortlichen sind betriebliche Kennzahlen sehr beliebt. Die Informationsempfänger glauben, dass ihr Bereich mithilfe weniger Werte gesteuert werden kann. Diese Erwartungen an Kennzahlen können jedoch auch in die Irre führen.
Inhaltsübersicht:
1. Kennzahlen haben einen „guten Ruf“
- Wenige, einzelne Werte reichen (angeblich) aus, um das ganze Unternehmen zu steuern.
- Kennzahlen helfen, eine Situation zu beschreiben und Entwicklungen zu erkennen. Komplexe Zusammenhänge können umfassend berücksichtigt werden.
- Entscheidungen werden mit Kennzahlen beschleunigt, da die Ergebnisse schnell und einfach zu erkennen sind.
- Kennzahlen können sehr gut und einfach mit Budgetwerten oder Zeitreihen aus der Vergangenheit verglichen werden.
- Entscheider glauben, dass sie die Kennzahlen und ihre Einflussgrößen verstehen und somit beurteilen können.
Das ist alles oft ein großer Irrtum: Kennzahlen wurden für die vereinfachte Darstellung komplexer Inhalte entwickelt. Kennzahlen dürfen nie für sich alleinstehen. Es müssen immer auch Detail-Informationen angeboten (und angesehen) werden.
2. Informationsverlust: Einzeldaten müssen berücksichtigt werden
Werden nur die Kennzahlen ohne die Einzeldaten beachtet, können Fehlentscheidungen die Folge sein. Betrachten Sie das folgende Beispiel:
Wer nur die Kennzahl „Gesamtumsatz“ 4,4 Mio. € kennt, bemerkt gar nicht das Risiko, dass fast 50 % des Umsatzes mit nur einem Kunden erzielt werden.
Ist die Zahl 4,4 Mio. € gut oder schlecht? Sie benötigen einen Vergleichswert, z.B. den Budget- oder den Vorjahreswert. War dieser z.B. 4,2 Mio. €, konnten Sie den Umsatz steigern. Eine Bewertung ist jetzt erst durch den Vergleich möglich.
3. Geänderte Definition von Kennzahlen
Theoretisch sind alle betriebswirtschaftlichen Kennzahlen eindeutig definiert. In vielen Unternehmen sind mit der Zeit Veränderungen an der Definition vorgenommen worden. Anderen, individuellen Kennzahlen liegen keine allgemeingültigen Definitionen zugrunde.
Das Controlling ermittelt die Werte nach individuellen, betriebsinternen Definitionen und unterstellt diese als bekannt. Das sind sie aber nicht immer.
Beispielsweise wird im obigen Beispiel die Kennzahl „Umsatz je Gruppe“ verwendet. Inland und Ausland beinhaltet alle Kunden im entsprechenden Gebiet, jedoch ohne die Key Accounts. Diese haben aufgrund ihrer Größe eine besondere Bedeutung für das Unternehmen. Diese Zuordnung erfolgt unabhängig davon, ob die Umsätze im Inland oder im Ausland erfolgen.
Den internen Berichtsempfängern ist diese Definition bekannt. Die Bank als Kreditgeberin ordnet die Umsatzgruppe aber den Inlandsumsätzen zu und erkennt eine hohe Abhängigkeit von der Inlandskonjunktur und verschlechtert unter Umständen das Rating des Unternehmens.
4. Ungenaue Definitionen führen zu Fehlinterpretationen
Die geschilderte Fehlinterpretation durch die Bank beruht auf einer ungenauen Definition. Kennzahlen könne aber auch bei vereinbarungsgemäßer Definition zu Fehlinterpretationen führen.
Wenn man aus der Kennzahl „Gesamtumsatz“ eine neue Kennzahl „Umsatzveränderung“ ermittelt, erhält man einen Wert von 2,2 % für die Veränderung des aktuellen Jahres zum Vorjahr. Die Kennzahl beruhigt den Geschäftsführer.
Es wird jedoch dabei nicht erkannt, dass die Entwicklungen sehr unterschiedlich sind. Im Beispiel ist der Umsatz von Meier und Müller dramatisch eingebrochen. Kompensiert wurde dies vor allem durch eine erhebliche Steigerung bei KA Group und durch leichte Steigerungen bei anderen Kunden.
Die Gründe müssen analysiert werden. Wichtige Entwicklungen werden ansonsten nicht erkannt. Es ist gefährlich, sich auf die vom Controlling ermittelte Kennzahl „2,9 % Wachstum“ zu verlassen.
5. Falsche Einflussgrößen verursachen Fehlverhalten.
Kennzahlen sind häufig auch Bestandteil von Bonusvereinbarungen und Zielsystemen und haben dann Einfluss auf die Entlohnung. Möglicherweise führt dies zur Förderung der falschen Einflussgrößen.
Der Vertriebsverantwortliche sollte den Umsatz um 3% steigern, was mit 2,9 % auch fast gelungen ist. Schaut man sich die Entwicklung in den drei Gruppen an, stellt man erhebliche Unterschiede fest.
Der Umsatzzuwachs bei den Key Accounts kompensiert den Verlust bei Inland und Export. Der Verantwortliche hat den Schwerpunkt auf die Key Accounts gelegt, die vielleicht leicht zu bearbeiten sind, aber den geringeren Deckungsbeitrag haben. Es wurden bezogen auf die Kennzahl „Gesamtumsatz“ die falschen Anreize gesetzt.
6. Fazit
Im Controlling werden die Kennzahlen definiert, berechnet und die Interpretation häufig vorgegeben. Controller wissen, dass falsche Kennzahlen gefährlich sein können, aber auch, wie man Schwächen der Kennzahlensysteme für die gewünschten Informationen nutzen kann.
Machen Sie sich bei der Auswertung und Bewertung von Kennzahlen immer klar, wie diese definiert sind. Welche Aussage will der Controller möglicherweise erzielen? Fragen Sie im Zweifel nach!
Verlassen Sie sich nicht auf die Kennzahlen, sondern werfen Sie immer einen Blick auf die Einzelwerte. So kommen Sie Überraschungen zuvor.
Welche Kennzahl in Ihrem Unternehmen wollten Sie schon immer hinterfragen?