Die Kunst der Limitplanung im Bekleidungshandel: ein Schlüssel zum Erfolg

Im dyna­mi­schen Umfeld des Beklei­dungs-Ein­zel­han­dels ist effek­ti­ves Bestands­ma­nage­ment von ent­schei­den­der Bedeu­tung. Ein zen­tra­les Werk­zeug hier­für ist die Limit­pla­nung – ein stra­te­gi­scher Ansatz, der Ein­zel­händ­lern hilft, ihre Ein­käu­fe zu steu­ern und finan­zi­el­le Risi­ken zu mini­mie­ren. In die­sem Bei­trag beleuch­ten wir die viel­fäl­ti­gen Aspek­te der Limit­pla­nung, ihre Aus­wir­kun­gen auf den Geschäfts­er­folg und die Kon­se­quen­zen, die sich erge­ben, wenn man ohne sie arbei­tet. Zusätz­lich wer­fen wir einen Blick auf die Per­spek­ti­ve des Ver­käu­fers und wie die­ser das Kon­zept zu sei­nem Vor­teil nut­zen kann. Abschlie­ßend gehen wir auf eine Kri­tik­punk­te ein und zei­gen mög­li­che Zukunfts­trends auf.

Grundlagen der Limitplanung

Die Limit­pla­nung ist ein finan­zi­el­les Steue­rungs­in­stru­ment, das den maxi­ma­len Betrag fest­legt, den ein Ein­zel­händ­ler für den Ein­kauf von Waren in einem bestimm­ten Zeit­raum aus­ge­ben kann. Die­ses “Limit” basiert auf ver­schie­de­nen Fak­to­ren wie dem geplan­ten Umsatz, der ange­streb­ten Han­dels­span­ne, dem gewünsch­ten Lager­be­stand und his­to­ri­schen bzw. geplan­ten Ver­kaufs­da­ten. Ziel ist es, eine Balan­ce zwi­schen aus­rei­chen­dem Waren­be­stand und finan­zi­el­ler Sta­bi­li­tät zu finden.

Komponenten der Limitplanung

Umsatz­pla­nung: Pro­gno­se der erwar­te­ten Ver­käu­fe basie­rend auf his­to­ri­schen Daten und Markttrends.

Mar­gen­pla­nung: Fest­le­gung der ange­streb­ten Han­dels­span­ne für ver­schie­de­ne Produktkategorien.

Bestands­pla­nung: Bestim­mung des opti­ma­len Lager­be­stands unter Berück­sich­ti­gung von Sai­so­na­li­tät und Umschlagshäufigkeit.

Ein­kaufs­bud­ge­tie­rung: Ablei­tung des ver­füg­ba­ren Ein­kaufs­bud­gets aus den obi­gen Faktoren.

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Die OTB-Kennzahl (Open-To-Buy)

Ein zen­tra­les Ele­ment der Limit­pla­nung ist die OTB-Kenn­zahl. Sie gibt an, wie viel Bud­get noch für Ein­käu­fe zur Ver­fü­gung steht. Die Kenn­zahl ermög­licht es Ein­käu­fern, fle­xi­bel auf Markt­ver­än­de­run­gen zu reagie­ren, ohne das Gesamt­bud­get zu überschreiten.

Die For­mel lautet:

OTB = Geplan­ter End­be­stand – Anfangs­be­stand + Ein­kauf­vo­lu­men – Bereits getä­tig­te Bestellungen

Hier­von kann noch ein indi­vi­du­el­ler Pro­zent­satz als Limit-Reser­ve berück­sich­tigt werden.

Bei­spiel:

Anfangs­be­stand: 150 T€

Geplan­ter End­be­stand: 100 T€

Geplan­ter Abver­kauf: 500 T€

Bereits getä­tig­te Bestel­lun­gen: 300 T€

In die­sem Bei­spiel ste­hen noch 150 T€ für wei­te­re Ein­käu­fe zur Ver­fü­gung. Hält man 10 % als Reser­ve zurück, ver­bleibt ein frei­es Limit von 105 T€

Wich­tig ist die Berück­sich­ti­gung der erwar­te­ten Abschrif­ten bzw. der geplan­ten Net­to-Kal­ku­la­ti­on (Mar­ge). Bei der Waren­grup­pe 2 ergibt sich des­halb – bei glei­chem geplan­ten Umsatz – ein höhe­res benö­tig­tes Ein­kaufs­vo­lu­men, um den Plan­um­satz zu erreichen.

Vorteile der Limitplanung

Ver­mei­dung von Über­be­stän­den: Durch die genaue Pla­nung wird ver­hin­dert, dass zu viel Kapi­tal in Lager­be­stän­den gebun­den wird.

Liqui­di­täts­ma­nage­ment: Die Limit­pla­nung hilft, den Cash­flow zu opti­mie­ren und finan­zi­el­le Eng­päs­se zu vermeiden.

Fle­xi­bi­li­tät: Trotz fes­ter Bud­gets ermög­licht die OTB-Kenn­zahl schnel­le Anpas­sun­gen an Markttrends.

Opti­mie­rung der Sor­ti­ments­struk­tur: Die Pla­nung unter­stützt bei der aus­ge­wo­ge­nen Gestal­tung des Sortiments.

Sai­so­na­le Anpas­sung: Sai­so­na­le Schwan­kun­gen kön­nen bes­ser berück­sich­tigt und geplant werden.

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Herausforderungen bei der Implementierung

Daten­qua­li­tät: Die Effek­ti­vi­tät der Limit­pla­nung hängt stark von der Qua­li­tät der ver­füg­ba­ren Daten ab.

Kom­ple­xi­tät: Die Berück­sich­ti­gung aller rele­van­ten Fak­to­ren kann sehr kom­plex sein.

Schu­lungs­be­darf: Mit­ar­bei­ter müs­sen im Umgang mit dem Sys­tem geschult werden.

Balan­ce­akt: Es gilt, die rich­ti­ge Balan­ce zwi­schen strik­ter Pla­nung und not­wen­di­ger Fle­xi­bi­li­tät zu finden.

Konsequenzen einer fehlenden Limitplanung

Das Feh­len einer struk­tu­rier­ten Limit­pla­nung kann schwer­wie­gen­de Fol­gen für Ein­zel­händ­ler haben:

Über­be­stän­de: Ohne kla­re Bud­get­vor­ga­ben nei­gen Ein­käu­fer dazu, zu viel Ware zu ordern. Dies führt zu über­füll­ten Lagern und gebun­de­nem Kapital.

Liqui­di­täts­eng­päs­se: Unkon­trol­lier­te Ein­käu­fe kön­nen die Liqui­di­tät des Unter­neh­mens gefähr­den und zu Zah­lungs­schwie­rig­kei­ten führen.

Sub­op­ti­ma­le Sor­ti­ments­struk­tur: Ohne über­grei­fen­de Pla­nung kann es zu Ungleich­ge­wich­ten im Sor­ti­ment kom­men, was die Ver­kaufs­leis­tung beeinträchtigt.

Erhöh­tes Abschrif­ten­ri­si­ko: Über­be­stän­de füh­ren oft zu erhöh­ten Rabat­ten und Abschrei­bun­gen, was die Mar­ge schmälert.

Ver­pass­te Chan­cen: Ohne fle­xi­ble OTB-Pla­nung kön­nen kurz­fris­ti­ge Markt­chan­cen nicht genutzt werden.

Inef­fi­zi­en­te Res­sour­cen­nut­zung: Zeit und Per­so­nal wer­den für das Manage­ment von Über­be­stän­den gebun­den, statt für wert­schöp­fen­de Aktivitäten.

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Limitplanung aus Verkäufersicht

Auch für Ver­käu­fer (Lie­fe­ran­ten) bie­tet das Ver­ständ­nis der Limit­pla­nung Vorteile:

Ver­bes­ser­te Kun­den­be­zie­hun­gen: Ver­käu­fer, die die Limit­pla­nung ihrer Kun­den ver­ste­hen, kön­nen bes­ser auf deren Bedürf­nis­se eingehen.

Stra­te­gi­sche Ange­bots­ge­stal­tung: Kennt­nis über OTB-Zyklen ermög­licht es, Ange­bo­te zeit­lich opti­mal zu platzieren.

Unter­stüt­zung bei der Pla­nung: Ver­käu­fer kön­nen Ein­zel­händ­lern bei der Opti­mie­rung ihrer Limit­pla­nung hel­fen und sich so als wert­vol­le Part­ner positionieren.

Pro­gno­se von Ein­kaufs­ver­hal­ten: Ver­ständ­nis der Limit­pla­nung hilft bei der Vor­her­sa­ge von Kundenbestellungen.

Anpas­sung der eige­nen Pro­duk­ti­on: Lie­fe­ran­ten kön­nen ihre Pro­duk­ti­on bes­ser an die Ein­kaufs­zy­klen der Kun­den anpassen.

Nutzung der Limitplanung zum Vorteil des Verkäufers

Ver­käu­fer kön­nen das Kon­zept der Limit­pla­nung auf ver­schie­de­ne Wei­se zu ihrem Vor­teil nutzen:

Timing von Ange­bo­ten: Durch Kennt­nis der OTB-Zyklen kön­nen Ange­bo­te dann plat­ziert wer­den, wenn Kun­den noch Bud­get zur Ver­fü­gung haben.

Maß­ge­schnei­der­te Lösun­gen: Ver­käu­fer kön­nen Pake­te schnü­ren, die genau auf das ver­blei­ben­de Bud­get des Kun­den zuge­schnit­ten sind.

Früh­zei­ti­ge Pla­nung: Durch früh­zei­ti­ge Abspra­chen mit Kun­den kön­nen Ver­käu­fer ihre eige­ne Pro­duk­ti­on und Logis­tik optimieren.

Bera­ten­de Funk­ti­on: Indem Ver­käu­fer Kun­den bei der Opti­mie­rung ihrer Limit­pla­nung unter­stüt­zen, kön­nen sie sich als wert­vol­le Part­ner eta­blie­ren und die Kun­den­bin­dung stärken.

Ent­wick­lung fle­xi­bler Lie­fer­mo­del­le: Ver­käu­fer kön­nen fle­xi­ble Lie­fer­op­tio­nen anbie­ten, die es Kun­den ermög­li­chen, ihre OTB-Pla­nung bes­ser zu managen.

Kritik an der Limit-Planung

Obwohl die Limit­pla­nung ein wert­vol­les Instru­ment im Beklei­dungs-Ein­zel­han­del ist und unver­zicht­bar ist, gibt es durch­aus eini­ge kri­ti­sche Aspek­te zu beachten:

Man­geln­de Fle­xi­bi­li­tät: Zu star­re Limits kön­nen die Reak­ti­ons­fä­hig­keit auf uner­war­te­te Markt­chan­cen ein­schrän­ken. In einem schnell­le­bi­gen Markt wie der Mode­bran­che kann über­mä­ßi­ge Pla­nungs­treue zu ver­pass­ten Gele­gen­hei­ten führen.

Über­mä­ßi­ger Fokus auf Zah­len: Die star­ke Kon­zen­tra­ti­on auf finan­zi­el­le Kenn­zah­len kann dazu füh­ren, dass qua­li­ta­ti­ve Aspek­te wie Trend­ent­wick­lun­gen ver­nach­läs­sigt wer­den. Mode ist auch eine krea­ti­ve Bran­che, und zu viel Zah­len­fo­kus kann inno­va­ti­ve Ansät­ze hemmen.

Kom­ple­xi­tät und Zeit­auf­wand: Die Imple­men­tie­rung und Pfle­ge eines umfas­sen­den Sys­tems zur Limit­pla­nung kön­nen sehr zeit­auf­wen­dig und kom­plex sein. Unter­neh­men könn­ten über­for­dert sein und wert­vol­le Res­sour­cen von ande­ren wich­ti­gen Auf­ga­ben abziehen.

Daten­ab­hän­gig­keit: Die Effek­ti­vi­tät der Limit­pla­nung hängt stark von der Qua­li­tät und Aktua­li­tät der ver­wen­de­ten Daten ab. Feh­ler­haf­te oder ver­al­te­te Daten kön­nen zu Fehl­ent­schei­dun­gen führen.

Kurz­fris­ti­ges Den­ken: Der Fokus auf kurz­fris­ti­ge finan­zi­el­le Zie­le kann lang­fris­ti­ge Stra­te­gien und Inves­ti­tio­nen in neue Pro­dukt­li­ni­en behin­dern. Inno­va­ti­on und Mar­ken­auf­bau könn­ten unter zu stren­ger Bud­ge­tie­rung leiden.

Über­vor­sich­tig­keit: Zu kon­ser­va­tiv gesetz­te Limits kön­nen zu Unter­be­stän­den füh­ren und Umsatz­chan­cen min­dern. Eine zu vor­sich­ti­ge Pla­nung kann das Wachs­tums­po­ten­zi­al eines Unter­neh­mens einschränken.

Ver­nach­läs­si­gung qua­li­ta­ti­ver Fak­to­ren: Die star­ke Beto­nung quan­ti­ta­ti­ver Metri­ken kann dazu füh­ren, dass wich­ti­ge qua­li­ta­ti­ve Aspek­te wie Kun­den­zu­frie­den­heit oder Mar­ken­image ver­nach­läs­sigt wer­den. Ein ganz­heit­li­cher Ansatz, der auch wei­che Fak­to­ren berück­sich­tigt, könn­te in der Limit­pla­nung zu kurz kommen.

Poten­zi­el­le Demo­ti­va­ti­on der Ein­käu­fer: Strik­te Limits kön­nen die Krea­ti­vi­tät und Ent­schei­dungs­frei­heit der Ein­käu­fer ein­schrän­ken. Dies könn­te zu Frus­tra­ti­on und ver­min­der­ter Arbeits­leis­tung führen.

Ver­nach­läs­si­gung von Lie­fe­ran­ten­be­zie­hun­gen: Ein zu star­rer Fokus auf Bud­get­gren­zen könn­te lang­fris­ti­ge Part­ner­schaf­ten mit Lie­fe­ran­ten gefähr­den. Stra­te­gisch wich­ti­ge Lie­fe­ran­ten­be­zie­hun­gen könn­ten unter zu strik­ten finan­zi­el­len Vor­ga­ben leiden.

Anpas­sungs­schwie­rig­kei­ten bei Markt­ver­än­de­run­gen: In Zei­ten schnel­ler Markt­ver­än­de­run­gen (wie wäh­rend einer Pan­de­mie) kann ein star­res Limit­sys­tem hin­der­lich sein. Die Pla­nung könn­te zu unfle­xi­bel sein, um auf dras­ti­sche Ver­än­de­run­gen im Kon­sum­ver­hal­ten zu reagieren.

Über­be­wer­tung his­to­ri­scher Daten: Eine zu star­ke Ori­en­tie­rung an ver­gan­ge­nen Ver­kaufs­zah­len kann blind für neue Trends machen. Die Mode­bran­che ist zukunfts­ori­en­tiert, und zu viel Rück­wärts­ge­wandt­heit kann pro­ble­ma­tisch sein.

Ver­nach­läs­si­gung von Omnich­an­nel-Stra­te­gien: Tra­di­tio­nel­le Ansät­ze zur Limit­pla­nung könn­ten die Kom­ple­xi­tät moder­ner Omnich­an­nel-Ver­triebs­struk­tu­ren nicht aus­rei­chend berück­sich­ti­gen. Eine iso­lier­te Betrach­tung ein­zel­ner Ver­triebs­ka­nä­le wird der heu­ti­gen Rea­li­tät jedoch nicht gerecht.

Zukunftstrends in der Limitplanung

Die Zukunft der Limit­pla­nung wird stark von tech­no­lo­gi­schen Ent­wick­lun­gen geprägt sein:

KI und Machi­ne-Lear­ning: Algo­rith­men wer­den die Genau­ig­keit von Pro­gno­sen und die Opti­mie­rung von Limits verbessern.

Echt­zeit-Anpas­sung: Sys­te­me wer­den in der Lage sein, Limits in Echt­zeit basie­rend auf aktu­el­len Ver­kaufs­da­ten anzupassen.

Inte­gra­ti­on von Omnich­an­nel-Daten: Die Limit­pla­nung wird zuneh­mend Daten aus allen Ver­kaufs­ka­nä­len berücksichtigen.

Ver­bes­ser­te Visua­li­sie­rung: Neue Tools wer­den die kom­ple­xen Daten der Limit­pla­nung bes­ser visua­li­sie­ren und damit die Ent­schei­dungs­fin­dung erleichtern.

Fazit

Die Limit­pla­nung ist ein unver­zicht­ba­res Instru­ment im moder­nen Beklei­dungs-Ein­zel­han­del. Sie hilft Unter­neh­men, ihre finan­zi­el­len Res­sour­cen effi­zi­ent zu nut­zen, Risi­ken zu mini­mie­ren und fle­xi­bel auf Markt­ver­än­de­run­gen zu reagie­ren. Gleich­zei­tig bie­tet sie Ver­käu­fern die Mög­lich­keit, ihre Kun­den­be­zie­hun­gen zu ver­tie­fen und ihre eige­nen Pro­zes­se zu opti­mie­ren. In einer Bran­che, die von schnel­len Ver­än­de­run­gen und engen Mar­gen geprägt ist, kann eine gut imple­men­tier­te Limit­pla­nung den ent­schei­den­den Wett­be­werbs­vor­teil ausmachen.

Es ist jedoch wich­tig, die Limit­pla­nung als fle­xi­bles Instru­ment zu betrach­ten und regel­mä­ßig zu über­prü­fen. Eine aus­ge­wo­ge­ne Mischung aus daten­ba­sier­ter Pla­nung und Raum für krea­ti­ve Ent­schei­dun­gen sowie die Inte­gra­ti­on qua­li­ta­ti­ver Fak­to­ren kann hel­fen, die Nach­tei­le zu mini­mie­ren. Das Sys­tem der  Limit­pla­nung muss agil genug sind, um auf uner­war­te­te Markt­ver­än­de­run­gen reagie­ren zu können

Sowohl Ein­zel­händ­ler als auch Lie­fe­ran­ten, die die­ses Kon­zept ver­ste­hen und nut­zen, sind bes­ser posi­tio­niert, um in der kom­ple­xen Welt des Beklei­dungs-Ein­zel­han­dels erfolg­reich zu sein.

Quellen / weitere Informationen

  • Sor­ti­ments­po­li­tik im Ein­zel­han­del, Dirk Müh­le­bruch, Sprin­ger-Ver­lag,
    ISBN 3409131744
  • Mehr Umsatz mit Ver­kaufs­steue­rung und Pla­nung, K. Micha­el Win­ter,
    BoD Books on Demand,  ISBN 3833468963