1. Vertikalisierung ist die eigene Einzelhandelstätigkeit
Vertikalisierung ist vor allem ein anderes Geschäftsmodell. Das Unternehmen muss vollständig anders denken und handeln. Programme und Kollektionen müssen mit dem richtigen Modegrad und einer passenden Preislagenstruktur zielgerichtet für die eigenen Flächen entwickelt werden. Der Kollektionsrahmenplan erlangt zentrale Bedeutung.
Der Hersteller, der als Händler agieren will, muss neben der Sortimentierung auch die Limitplanung und die Abverkäufe überwachen und nötigenfalls korrigierend eingreifen.
2. Was im bisherigen Einzelhandels-Umfeld erfolgreich ist, funktioniert auch im eigenen Store
In einem Marken-Store muss das eigene Sortiment “funktionieren” und den Konsumenten ansprechen. Die Möglichkeit ergänzender Zusatzkäufe – wie sie bei den klassischen Multilabel-Angeboten gegeben ist – entfällt. Die Sortimente müssen flächenfähig sein. Eine bloße Ausweitung der Sortimentstiefe ist nicht zielführend und geht zu Lasten der Flächenproduktivität.
3. Groß oder klein? Egal. Hauptsache, wir kontrollieren die Verkaufsfläche.
Je stärker die Flächengrößen, Lagen und Formate variieren, umso schwerer wird eine systematische Steuerung der Flächen. Die Kollektionspakete müssen deshalb auf die zu bestückende Verkaufsfläche zugeschnitten sein, was den Modegrad, die Preisstruktur und die Produktgruppe betrifft. Zu viele Flächentypen lassen die Produktentwicklung enorm komplex werden. Fehlt dann die Definition von Formaten, leidet auch die Markenaussage, da die Kollektionen oft nicht passgenau präsentiert werden können.
4. Um den Abverkauf kümmert sich allein das Personal auf der Verkaufsfläche.
Für viele Hersteller hört die Vertikalisierung mit der Lieferung der Ware an den kontrollierten POS auf. Oft wird angenommen, der Händler kenne ja seine Kunden am besten und wisse, was läuft. Doch die Zentrale muss zwingend die genauen Abverkaufsdaten der Flächen kennen, um Erstbestückung und Nachlieferung effizient zu steuern. Erfolgreiche Vertikale halten zudem immer ein Restlimit zur kurzfristigen Platzierung von Bestsellern zurück. Auch die Abschriften sollten zentral gesteuert werden, um Altbestände und damit Limitkürzungen zu vermeiden. Unerlässlich ist außerdem das Visual Merchandising. Zentrale Richtlinien sorgen für einen einheitlichen Markenauftritt.
5. Der bisherige Vertrieb kann auch Kooperationsmodelle verkaufen.
Beim klassischen Verkauf der Kollektion wird mit dem Style, der Farbe und dem Preis eines einzelnen Produktes argumentiert. Ein Shopkonzept hingegen muss über die Präsentation, LUG, Produktivität und Umsätze verkauft werden. Auch die spätere Flächenbewirtschaftung wird vom Vertrieb verantwortet. Das erfordert ganz neue Fähigkeiten einer Vertriebsmannschaft. Komplett vertikale Unternehmen brauchen weder den Außendienst noch Showrooms.
6. Unser IT-System reicht für die Vertikalisierung bereits aus.
Der Vertikalisierungsprozess verlangt vom Design bis zum Abverkauf nach komplexen dynamischen Systemen, die sich den aktuellen Gegebenheiten am POS anpassen. In der Regel sind Systeme zur Sortiments- und Limitplanung, zur Warenbewirtschaftung und Abverkaufssteuerung bei traditionellen Herstellern nicht oder nur begrenzt vorhanden und erfordern bei einer Vertikalisierung entsprechende Investitionen.
7. Vertikale Reorganisation betrifft nur den eigenen Einzelhandel.
Viele Lieferanten haben nur eine kleine Retail-Abteilung, der Rest des Geschäftes läuft wie gewohnt weiter. Doch das gesamte Unternehmen muss sich auf die Fläche ausrichten. Bereits die Designer müssen bei der Produktentwicklung in Systembausteinen denken. Da sich etliche Wholesale-Kunden dagegen sträuben, entwickeln die Hersteller diese vertikalen Kollektionen parallel für den eigenen Retail, was genau genommen der Gründung eines zweiten Unternehmens gleichkommt. Sie unterliegen dem Irrtum, dass die in Bausteinen entwickelte Kollektion im Wholesale nicht funktioniert, da sie zu enge Strukturen vorgibt. Doch man sollte bedenken, dass die eigenen Retail-Flächen meist größer sind, als die vom Handel zur Verfügung gestellten. Und damit reichen die Retail-Kollektionen auch für diese aus. Zum anderen bleibt ein Renner ein Renner. Alle Vertikalen beweisen, dass die Bestseller zu 80% national, wenn nicht europaweit die gleichen sind.